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Interview mit Stefan Grosjean, CEO und Mitgründer von Smappee

Technewable im Gespräch mit Stefan Grosjean – Smappee Mitgründer und CEO

Stefan Grosjean, Mitbegründer von Smappee über das #Energiesystem der Zukunft, die Digitalisierung der Energiewirtschaft, starre Energienetze, Versäumnisse in der Energiebranche, bestehende Herausforderungen für die Energiewende, die künftige Rolle des Verbrauchers, Schlüsseltechnologien, Innovationen und neue Geschäftsmodelle im Energiesektor, Entwicklungen für die Zukunft und seine Vision von einem zukünftigen Energiesystem.

 

Technewable: Was verstehen Sie unter Digitalisierung der Energiewirtschaft? Was sind zentrale Treiber und wo bestehen Herausforderungen?

Stefan Grosjean: Beim Thema Digitalisierung lohnt sich ein Blick auf die Telekommunikationsindustrie. In den letzten zehn bis zwanzig Jahren hat diese Branche eine einzigartige Entwicklung durchgemacht – denken wir allein an die Verbreitung des Internets. Die Telekommunikationsindustrie ist heute ein komplett digitales, drahtloses Netzwerk.

Genau so hätte sich die Energiewirtschaft entwickeln müssen, aber sie hinkt ihrer Zeit hinterher. Das System ist veraltet, und das starre Energienetz hält den steigenden Anforderungen, die mit der Energiewende einhergehen, nicht stand. Im Zuge der Integration von erneuerbaren Energien ist die Digitalisierung der Energiewirtschaft aber unerlässlich.

Der Strombedarf wird heute immer mehr durch kleine, lokale Photovoltaik- und auch Windanlagen gedeckt. Der Ausgleich von Produktion und Nachfrage erfolgt dabei aber nicht vollständig vor Ort. Ein entscheidender Teil des Strombedarfs wird immer überregional ausgeglichen, was teilweise zu unnötigen Stromtransporten und Energieverlust führt. Die Digitalisierung kann dazu beitragen, das System effektiver und effizienter zu gestalten – hier herrscht dringender Nachholbedarf!

Welche Rolle spielt der Verbraucher im Energiesystem der Zukunft?

Stefan Grosjean: Der Verbraucher wird in Zukunft eine noch wichtigere Rolle im Energiesystem einnehmen. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien werden aus ehemals reinen Stromverbrauchern zeitgleich Stromerzeuger. Denn unsere Häuser werden bald schon als dezentrale Energiekraftwerke fungieren. Dort wird nicht nur Energie verbraucht, sondern auch produziert und gespeichert. Der Konsument wird zum „Prosumer“.

Im Energiesystem der Zukunft lernen die Prosumer vor allem, die Energie dann zu nutzen, wenn sie von den eigenen Solar- oder Windanlagen produziert wird. Schon jetzt demotiviert die niedrige Einspeisevergütung von circa 6 Cent/kWh die privaten Erzeuger ihre eigenproduzierte Energie ins Netz einzuspeisen. Und dies ist auch gut so, denn die Komplexität des Systems nimmt zu, wenn die Energie nicht nur zentral von Kraftwerken sondern auch dezentral in unseren Häusern produziert wird.

Und selbst wenn es möglich ist, Energie in großen Batteriesystemen speichern zu können, ist es dennoch besser die Energie direkt vor Ort zu nutzen. Die Infrastrukturkosten für Transport und Speicherung sind leider erheblich. Monitore wie Smappee dienen in dieser komplexen Struktur als „Lotsen“. Sie überwachen die eigene Stromproduktion und weisen  Haushaltsgeräte wie Kühlschränke oder Wärmepumpen zum Beispiel an, immer dann mehr Energie zu verwenden, wenn die Solaranlage viel Strom produziert.

Wie verändern sich die Geschäftsmodelle in einer digitalen Energiewirtschaft und welche Chancen bestehen für neue Unternehmen?

Stefan Grosjean: Die gerade beschriebene Entwicklung darf nicht alleine auf dem Rücken der Konsumenten ausgetragen werden. In Zukunft benötigen wir daher ein zentrales System, das die Stromproduktion sowie den -verbrauch national reguliert und in Einklang bringt.

Das intelligente Stromnetz der Zukunft wird Stromspitzen vermeiden und Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Windkraft und Solarenergie in die Stromversorgung integrieren. Wenn viel Strom aus Sonnen- oder Windenergie eingespeist wird, dann sollen in Privathaushalten beispielsweise Waschmaschinen oder Trockner betrieben werden. Entscheidend ist dabei die Kommunikation zwischen Geräten und Akteuren auf allen Ebenen. Ähnlich wie in anderen Branchen wird also die Bedeutung von Anwendungen auf IoT-Basis ansteigen – das bietet gerade jungen Playern viel Raum für Innovationen.

Welche Schlüsseltechnologien werden genutzt und wie schätzen Sie deren Reifegrad ein?

Stefan Grosjean: Im Grunde genommen ist die Technologie bereits vorhanden und reif genug. Es gibt Energiemonitore wie Smappee sowie smarte Haushaltsgeräte wie intelligente Kühlschränke. Jedoch kommunizieren all diese Geräte noch nicht gemeinsam auf einer Ebene. Dafür gibt es auch noch keine herstellerübergreifenden Standards. Es wird noch etwa zehn bis fünfzehn Jahre dauern bis alle Konsumenten mit Haushaltsgeräten ausgestattet sind, die über modernste Technik verfügen und IoT-basiert miteinander kommunizieren können.

Welche Rolle spielen Energiekontrollsysteme im künftigen Energiesystem und wie funktionieren diese?

Stefan Grosjean: Smarte Energiemonitore und -kontrollsysteme bieten einen zuvor nie dagewesenen Einblick in Stromverbrauchs- und Erzeugungsdaten. Und damit spielen sie eine entscheidende Rolle im Energiesystem der Zukunft. Eine große Herausforderung der Energiewende ist die Volatilität dezentraler Erzeuger. Für die Kontrolle dieser Volatilität und ein effizientes Ressourcenmanagement sind Echtzeitinformationen unerlässlich, denn sie bilden die Basis eines intelligenten und datengetriebenen Energienetzes.

Intelligente Monitore wie Smappee kontrollieren nicht nur die Stromproduktion, sie weisen Geräte an, Strom zu verbrauchen, wenn gerade viel Energie produziert wird. Beispielsweise schalten sie die Wärmepumpe automatisch dann an, wenn die Sonnenkollektoren viel Strom produzieren. Gleichzeitig steuern sie auch den Verbrauch, wenn gerade wenig Energie zur Verfügung steht. So wird das Elektroauto zum Beispiel nicht in den Abendstunden geladen, wenn bereits Herd, Backofen und die Küchenmaschine im Einsatz sind.

Wie gestaltet sich der Markt für Energiekontrollsysteme? Welche Faktoren beeinflussen ihn?

Stefan Grosjean: Digitale Lösungen wie die Smappee Monitore, mit denen der eigene Strom-, Gas- und auch Wasserverbrauch gemessen und gesteuert werden kann, sind auf dem Vormarsch. Immer mehr Privatpersonen und Unternehmen schätzen die transparenten Informationen zu Verbrauch und Kosten. Zudem haben immer mehr Verbraucher eine eigene Solar- oder Windanlage und nutzen Energiekontrollsysteme, um die eigene Stromproduktion zu überwachen. Durch das steigende Umweltbewusstsein vieler Verbraucher und die fortschreitende Digitalisierung der gesamten Wirtschaft wird sich der Markt für smarte Energiemonitore in den nächsten Jahren stark entwickeln.

Wie stellen Sie sich das Energiesystem der Zukunft vor? Was ist Ihre Vision?

Stefan Grosjean: In einer idealen Welt gäbe es ein regeneratives Energieerzeugungssystem, was sich über den gesamten Globus erstreckt und von dem alle Länder profitieren könnten. Einzelne Länder werden ihren Energiehunger kaum ausschließlich über Wind- und Solarenergie stillen können. Dazu leben wir hier in einer Region, deren Wetter einfach zu unbeständig ist.

In der Theorie könnte aber die Energie, die allein an einem Tag von der Sonne ausgeht, die Welt ein Jahr lang versorgen – wir sind in der Energieerzeugung nur noch nicht produktiv genug. Ich denke also an riesige Solarparks in heißeren Regionen der Erde oder ausgedehnte Windparks an den Küsten. Massive Stromverbindungen zwischen Nord und Süd sowie Ost und West, würden uns konstant mit Energie versorgen.

Aus geopolitischen Gründen würde so ein System weltumspannend wohl nicht realisiert werden, aber auf einzelnen Kontinenten ist es umsetzbar. Innerhalb von Europa könnten wir den Austausch von Elektrizität fördern, indem wir zum Beispiel überschüssigen Strom in norwegische Pumpspeicherkraftwerke leiten. Damit wäre ein lokaler, natürlicher Speicher geschaffen. Meine Vision ist es, dass wir in Zukunft unbegrenzt viel Energie nutzen können – natürlich aus erneuerbarer Erzeugung und ohne CO2-Ausstoß.

Über Smappee

Smappee ist eine Lösung für den Endverbraucher. Der Name Smappee steht sowohl für das Produkt wie auch für das Unternehmen, welches 2012 gegründet wurde. Smappee entwickelt innovative  Lösungen zur Unterstützung eines nachhaltigen Energieverbrauchs. Mit Smappee erhalten Anwender  bedienungsfreundliche Tools zur Überprüfung ihres Energieverbrauchs in Echtzeit. Das Tool ermöglicht Endverbrauchern, Kostentreiber im Haushalt zu identifizieren und darauf zu reagieren, um so Energie und Kosten einzusparen sowie Umwelt und Klima zu entlasten.

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Dr. Katja Reisswig

Freie Redakteurin und Gründerin des Online-Magazins Technewable.com - spezialisiert auf digitale Kommunikation und Themen rund um die grüne Wirtschaft mit Fokus auf grüne Technologien, Innovationen, Lösungen und Anwendungen. Ihr Themenportfolio umfasst: Energie, Mobilität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung & Transformation

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